Eine Zeitungsgeschichte

Sie handelt von dieser Zeitung und dem kleinen Finger von Angelika, genannt Geli. Christines Kollegin. Diesen kleinen Finger reichte Angelika eines Tages dadurch ihrem Gegenübernachbarn im Dorf, dass sie ihm erlaubte, ihre AZ auszuleihen. Er bat darum, weil er in der Zeitung stünde. Bzw. sein Sportverein.

Als der Sportverein und mit ihm der Nachbar wieder in der Zeitung standen, brachte Geli, die rührende Seele, die AZ zu ihm. Das war aber nicht nur rührend, dieser freiwillig hingestreckte zweite (Ring)Finger - es war auch unklug. Denn jetzt ging es wie mit den meisten Einzelfingern, die man reicht. Da in jeder AZ etwas über Sport steht, fragte Gelis Nachbar, ob er wohl, vielleicht? ... Natürlich immer nur den Tag später?

Und so steckte Geli jetzt täglich, wenn sie morgens zur Schule fuhr, die AZ vom Vortag in ihren Postkasten und der Nachbar holte sie dort ab. So bescherte die AZ gemäß ihrem Werbespruch gleich zwei Lesern samt Familien einen Morgen, der nicht schöner sein kann als mit der Zeitung als Aufstrich zum Frühstücksbrötchen, weil der Alte dann Ruhe gab und las. Was macht schon ein Tag Aktualitäts-Unterschied - im Sportteil jedenfalls.

Gelis Mittelfinger wurde dann erbeten, als der Nachbar fragte, ob er die AZ nicht auch schon am aktuellen Nachmittag, so gegen fünf, haben dürfe. Dann habe Geli die Zeitung doch durch, oder? Geli ist Pastorentochter und lernte zu nicken, auch wenn ihr anders ist. Reste des sog. Altruismus.

An einem Samstag um 11 Uhr vormittags - Lehrerinnen arbeiten dann nicht - klingelte der Nachbar, als Geli gerade die Zeitung las. Im Bademantel. Mit beidem bedeckt öffnete sie die Tür: Es sei doch Samstag -und keine Schule. Und wahrscheinlich schon die Zeitung gelesen,

ja?

Geli verlor ihren Daumen, als sie jetzt an einem Montag ihrem Neffen ihr Auto geliehen hatte. Das ging, weil Geli denselben Stundenplan hat wie Christine und Christine sie abholt und hinbringt. Als Geli nun Dienstagfrüh zur Zeitung greifen wollte, gab es keine. Aber es gab auch keinen Streik bei IG-Medien. Gelis Nachbar hatte die Zeitung rübergeholt. „Dein Auto war weg und ich dachte...".

Angelika bedauere ich natürlich mit ihrer verlorenen Hand. Andererseits ist meine Kolumne in dieser Dienstagsausgabe gewesen. Vielleicht liest Gelis Nachbar jetzt ja auch nicht nur Sport, sondern auch mich?

Wie auch immer: Ich werde Geli meinen Urlaub lang mein AZ-Abo umleiten lassen. Damit Geli jedenfalls zeitweise wieder eine eigene AZ hat

 

10.02.2004